Großheubach/Kreis Miltenberg, 3. April 2004

Bachelor- und Masterabschlüsse im größeren Europa

FDP-Spitzenkandidatin Susanne Meyer sprach über "Bildung in Europa"

Sie ist erst 27 Jahre alt, hat aber durchaus gute Voraussetzungen, um im Mai dieses Jahres ins neue Europaparlament einzuziehen. Seit einigen Monaten steht Susanne Meyer aus dem schwäbischen Holzheim auf Platz 1 der bayerischen Liste der FDP für die Europawahl, und ihre perfekte Beherrschung der französischen und englischen Sprache wäre für einen Sitz im Parlament sicher keine schlechte Voraussetzung. Schließlich unterrichtete die gebürtige Erlangerin fast ein Jahr an einem französischen Gymnasium nahe Compiègne und steht derzeit unmittelbar vor der Übernahme in den bayerischen Schuldienst. Ihr Spezialgebiet im Europawahlkampf: die Bildungspolitik in einem größer gewordenen Europa.

Darüber sprach sie am Samstagabend vor zahlreichen, meist jüngeren Besuchern in Großheubach. Zunächst stellte sie ihr Programm vor, das die konsequente Umsetzung der Beschlüsse fordert, die 1998 von den europäischen Kultusministern in Bologna gefasst worden waren. Anerkannte europäische Abschlüsse, ein zweistufiges Studiensystem mit den Abschlüssen Bachelor und Master, die Vergabe von Leistungspunkten nach dem European Credit Transfer System, die Sicherung europaweiter Mobilität und nachweisbarer Qualitäten und schließlich die Intensivierung von Hochschulkooperationen sind zentrale Aspekte dieser Politik.

Dass es bei diesen Zielen noch große Probleme gibt, das bewies auch die engagierte Diskussion in Großheubach. "Wenn es schon in Deutschland nicht klappt, einheitliche Abiturniveaus zu schaffen, wie soll das zwischen 25 europäischen Ländern funktionieren?" lautete eine der skeptischen Fragen. Ob die Industrie die Bachelor-Abschlüsse anerkennt, die nach drei Jahren erworben werden sollen und in denen vor allem Grundkenntnisse vermittelt werden, und ob in dieser kurzen Zeit die immer komplexer werdenden Inhalte beispielsweise in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen überhaupt vermittelt werden können, waren weitere Streitpunkte.

Dass es ganz entscheidend darauf ankommt, bei der Reform der Universitätsausbildung zunächst einmal die Inhalt radikal, das heißt wirklich von Grund auf zu überprüfen, daran gab es unter den Gesprächsteilnehmern keine Zweifel. Wie schwierig aber auch das werden wird, wurde ebenfalls deutlich: "In Bayern wird das achtjährige Gymnasium eingeführt, und noch liegt kein einziger Lehrplan vor", klagte ein "Juli" aus Miltenberg. So etwas dürfe in Europa nicht passieren, falls die Beschlüsse von Bologna nicht von vornherein in der Praxis zum Scheitern verurteilt sein sollten, lautete die einhellige Überzeugung.

Handlungsbedarf aber besteht, daran ließ Susanne Meyer keinen Zweifel. Die allzu lange Regelstudienzeit in Deutschland, die dafür sorge, dass auf dem europäischen Arbeitsmarkt 29-jährige deutsche Akademiker mit Bewerbern aus Frankreich und England im Alter von 24 Jahren konkurrieren müssten, aber auch das Beamtensystem an deutschen Schulen und an deutschen Universitäten beklagte Meyer, die entschieden für die Einführung des Leistungsprinzips auch im Bildungswesen eintrat. Eine weitere Forderung der Spitzenkandidatin: Bisher flössen nur 4 Prozent des Europahaushalts in die Bildung, dieser Anteil müsse deutlich erhöht und für europäische Projekte eingesetzt werden. Durch die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudenten sollte zudem die Ausstattung der Universitäten verbessert werden. Allerdings, und dieser Hinweis kam immer wieder von den Zuhörern, müsse dieses Geld ausschließlich den Universitäten zugute kommen und dürfe nicht in irgendwelchen Schuldenlöchern verschwinden.

Weitere Anregungen Susanne Meyers wurden heiß diskutiert: Dürfen Universitäten selbst über die Erhebung von Studiengebühren befinden? Soll die Lehrerausbildung so reformiert werden, dass jeder Student und Referendar längere Zeit in einem Betrieb arbeiten muss, um die Arbeitswelt kennen zu lernen? Unumstritten dagegen war eine der zentralen Forderungen der Bologna-Konferenz, dass nämlich nur die besten 40 Prozent der Bachelor-Absolventen die Gelegenheit bekommen, ein wissenschaftlich-vertieftes Studium bis zum Master-Abschluss anzuhängen. Zum Abschluss machte Susanne Meyer noch einmal deutlich, dass es vor allem nach dem Beitritt von zehn osteuropäischen Staaten zur EU am 1.Mai dieses Jahres darauf ankomme, Studiengänge kompatibel zu machen und die Abschlüsse europaweit anzuerkennen.